DMMV und Spam

Dies ist meine Antwort auf eine Pressemeldung des DMMV, die leider nicht mehr im Netz steht.

Newsgroups: de.admin.net-abuse.mail
Subject: An DMMV: Werbe-eMails
Date: 16 Jan 1999 01:49:00 +0100 GMT
Message-Id: <78-W23Wd02B@frosch.seerose.kristall.de>

Hi Leutz,

diese Mail ging eben an webmaster(at)dmmv.de heraus, nachdem ich dort mal online die neueste Meldung abgerufen habe:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrem Artikel „Klarstellung …“ auf Ihrer Website muß ich etwas loswerden:

[…]; neben dem Schutz der informativen Selbstbestimmung des Nutzers muß jedoch auch die Freiheit der kommerziellen Kommunikation gegeben sein.

Was ist „Freiheit der kommerziellen Kommunikation“? Niemand wird sich dagegen wehren, angeforderte Informationen von einem Anbieter zu bekommen, und niemand wird sich dagegen wehren, die gewünschte Kommunikation mit einem Anbieter per Mail abwickeln zu können. Ich würde mich sogar darüber freuen, wenn das öfter möglich wäre; leider ist dem nicht so.

forderte der dmmv, Werbesendungen zumindest alssolche zu kennzeichnen.

Ist genauso sinnlos, denn damit wird ebenfalls Traffic verursacht. Nicht jeder und nicht jedes System hat die Möglichkeit, überhaupt oder differenziert nach Betreff zu filtern. Die meisten Filter gehen nur nach der absendenden IP-Adresse. Sie könnten aber sicher sein, wenn nur noch von einer bestimmten IP-Adresse aus Werbemail verschickt würde, daß diese Adresse überall in kürzester Zeit geblockt wäre.

Mangelnde Filter bzw. die fehlende Möglichkeit oder Zeit, Filter zu pflegen, kann für die Kunden einiger Anbieter (z. B. AOL, T-Online) bedeuten: Überschreiten der Mailquota und damit Verlust von wirklich wichtigen Mails. Die erwünschten Mails werden gebounct, der Absender bekommt das Teil im allgemeinen vollständig plus Fehlermeldung zurück. Es wurde doppelter Traffic erzeugt. Sein Postmaster bekommt außerdem eine Fehlermeldung ins Postfach. Wer zahlt's? Der DMMV?

wir - wie der Pressemitteilung zutreffend zu entnehmen ist - keineswegs für ein generelles Verbot von E-mail-Werbung in der EU eintreten.

Und wieso nicht? Eine Firma, die Werbung auf Kosten ihrer potentiellen Kunden betreibt, ist de facto unseriös. Jede andere Werbung finanziert sich aus einem Werbeetat, der aufgrund von vorherigen Einnahmen oder vorhandenem Kapital gebildet wurde.

Das gelebte Beispiel der Telefaxwerbung zeigt, daß die hierzu geltende Rechtsprechung in Deutschland nur dazu geführt hat, daß die Werbefaxe nunmehr aus dem Ausland oder ganz ohne Absenderkennung verschickt werden.

Das kann ich nicht bestätigen. Ich bekomme trotz Eintrags im Faxbuch nur äußerst wenig Telefax-Werbung, weniger als einmal pro Monat. Teilweise kommt sie aus Deutschland, teilweise aus den Niederlanden. Beworben werden wenig nützliche Software-Produkte, Radar-Warner und angeblich günstige Verkaufsmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge. Die Telekom ist übrigens nicht sonderlich begeistert darüber, wenn per Fax geworben wird, und weist Kunden auch darauf hin, sofern sie sie ermitteln können (meistens möglich, da oft eine 0180- oder 0190-Nummer zur Kontaktaufnahme angegeben wird).

Werbemails bekomme ich dagegen mittlerweile täglich. Die Statistik von kristall.de (für alle Kunden) sagt aus, daß wir in den vergangenen Monaten jeden Monat über ein Megabyte an Werbemail empfangen haben; die Anzahl bewegt sich zwischen 120 und 170 Stück. Ein Teil der Spams ging an nicht bzw. nicht mehr existente Adressen und erzeugte teilweise Bounces oder landete direkt bei mir. kristall.de ist dabei noch eine kleine Domain; User berichteten in de.admin.net-abuse.mail gerade kürzlich davon, daß sie allein diese und höhere Mengen empfangen.

bedeutete aber auch eine massive Diskriminierung aller Werbetreibenden […]

Ein Werbetreibender, der die Kosten für seine Werbung dem Empfänger aufhalst, diskriminiert sich selbst, dazu braucht es keine gesetzliche Diskriminierung.

Das juristische Problem ist, daß die Kosten, die der einzelne Werbeversender beim einzelnen Empfänger verursacht, im Pfennigbereich oder sogar im Bereich von Bruchteilen von Pfennigen liegen. Für den Empfänger macht erst die Masse von UCE, die von vielen unterschiedlichen Absendern kommt, die Kosten aus. Es ist also niemand wirklich für die Gesamtkosten greifbar, da niemand wegen einem halben Pfennig ein Gerichtsverfahren gegen jeden einzelnen Versender anstrengen wird. Deshalb kann nur ein Verbot eine sinnvolle Lösung sein.

Ein abstraktes Verbot von bestimmten Werbeformen wäre einmalig, - selbst in Deutschland: Die Telefaxwerbung ist bei uns keineswegs gesetzlich verboten - sie ist weder strafbar noch kann sie ein Bußgeld nach sich ziehen.

Sie verstößt gegen Par. 1 UWG, die Gründe haben Sie ja schon erkannt. Nur ist bei Mailwerbung bereits das eingetreten, was das bekannte Telefax-Urteil befürchtete: Die massenhafte Nutzung macht das Medium unbrauchbar. Wenn jetzt jede Firma anfangen würde, Mailwerbung zu verschicken, könnten wir die kristall.de dichtmachen. Wer bezahlt uns dann die Verluste? Oder: Wer finanziert die Aufstockung der Standleitung und den zusätzlichen Plattenplatz beim Provider? Der DMMV?

Die deutschen Gerichte haben vielmehr lediglich entschieden, daß ein (rein zivilrechtlicher) Anspruch gegenüber dem Absender auf Unterlassung besteht.

Na klasse, Ihrer Ansicht nach müßte ich also tatsächlich gegen jeden einzelnen Spammer vor Gericht ziehen. Die meisten lassen sich gar nicht ermitteln, weil die Header derart gefälscht werden, daß man nicht auf den Urheber schließen kann. Die wenigen, die übrigbleiben, geben patzige bis unverschämte Antworten oder schießen gleich mit Mailbomben zurück.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Ich möchte dann umworben werden, wenn ich eindeutig ein Interesse an einem Produkt oder einer Dienstleistung erklärt habe. Aber so herum funktioniert die Geschichte ja im allgemeinen nicht: Die meisten deutschen Firmen sind per Mail gar nicht oder nur über ein Web-Formular erreichbar, weil für sie das Internet nur aus WWW besteht. Gehe ich online ins Web, so bekomme ich eine Menge großer, bunter Bilder, Java-Applets und was weiß ich für einen Haufen Schrott auf die Platte und auf meine Kosten durch die Leitung geblasen (oft trotz 33.6er-Verbindung nur mit rund 150 cps via T-Online-Zugang), aber die gewünschte Information finde ich nur äußerst selten. Schon mehrfach war ich in letzter Zeit zwei oder drei Stunden online und fand nichts weiter als bunte Bilder ohne Informationswert. „Service-Wüste Deutschland“ – darüber sollte sich Ihre Klientel mal Gedanken machen, und nicht darüber, wie man den informationslosen Schrott nun auch noch direkt in die Mailpostfächer schaufelt!

zulässig und gegenwärtig: im Fernsehen, im Radio, in Zeitungen und Zeitschriften

Das ist richtig, und auch im Web. Dort wird sie akzeptiert, um den Preis für das Medium niedrig zu halten. ABER: Als Kunde habe ich immer noch die Wahl, ob ich das Medium nutzen (eine Zeitschrift/Zeitung kaufen, eine Webseite aufrufen) will bzw. ob die Kosten-Nutzen-Relation stimmt. Ein konkretes Beispiel: Die Zeitschrift c't kaufe ich, obwohl sie fast zur Hälfte aus Werbung besteht, weil der Wert der Informationen das in meinen Augen wieder ausgleicht.

Bei eMail kann ich mir das nicht heraussuchen! Niemand bezahlt uns die Providergebühren, niemand zahlt uns die Nutzungsgebühren für die Domain beim DE-NIC, niemand bezahlt meine Arbeitszeit, die notwendig ist, um Werbung auszusortieren und ggf. irgendwann Filter zu bauen. DAS ist der Unterschied.

a. Ein grundlegendes Prinzip ist aus unserer Sicht, daß der Adressat einer Werbemaßnahme eigenverantwortlich darüber entscheiden kann, ob er eine Werbebotschaft erhalten, d.h. die Werbung, wahrnehmen will oder nicht.

Schön, daß Sie das so klar erkannt haben, pflegte mein BWL-Lehrer im kaufmännischen Berufskolleg zu sagen. Warum handeln Sie dann nicht danach? Ich will keinerlei Werbung per EMail empfangen. Warum muß ich als Empfänger jetzt etwas tun, damit das berücksichtigt wird? Ich baue Filter, ich analysiere Header – zwei bis drei Stunden pro Tag. Wer bezahlt das? In der gleichen Zeit könnte ich wesentlich sinnvollere Dinge mit dem Internet tun: News lesen und schreiben, eigene Webseiten bauen usw.

Und vor allem: Das einzige, was sich ändern würde, ist, daß zu der jetzigen, ungekennzeichneten und mit gefälschten Headern abgeschickten Mailwerbung noch die gekennzeichnete, mit korrekten Headern abgeschickte Werbung dazukäme. Der Traffic würde immens steigen. Dazu käme noch das sicherlich sehr gewinnträchtige Geschäft mit dem Handel von Mailadressen, deren Besitzer nicht ausdrücklich wenigstens 100.000 Firmen mitgeteilt haben, daß sie keine Werbung wollen. Ihre Klientel macht die Kohle, und die Mailempfänger zahlen dafür, darauf läuft's hinaus!

entsteht durch die Kennzeichnungspflicht ein wirksamer Schutz des Adressaten; einen geeigneten Mail-Filter besitzen die modernen E-mail-Clients.

Der Filter meines Mailreaders wird erst wirksam, wenn die Mail bereits übertragen wurde, die Kosten bereits entstanden sind. Wie kommen Sie eigentlich auf den Trichter, daß jeder Client direkt am Internet hängt? Nur so nämlich könnte Mail direkt vom Client geblockt werden, ohne daß Kosten anfallen. Ach so, Sie wollen jedem Teilnehmer eine Standleitung bezahlen? >;->

b. Ungelöst ist bisher das Problem der Download-Kosten (in der Regel nur Telefongebühren, […]

Und was ist mit dem „Rest“? kristall.de wird nach Volumen abgerechnet.

Selektiver Abruf der E-Mails durch den User anhand eines Inhaltsverzeichnisses des elektronischen Briefkastens; geeignete E-Mail-Clients gibt es.

Mag sein, daß es solche Clients gibt (merke: es gibt nicht nur Microsoft-Produkte). Ich akzeptiere es aber nicht, meine Mails aus diesem Grunde online abzurufen. Zahlen Sie mir und unseren ca. 35 Kunden die zusätzlichen Telefonkosten und die anfallende Arbeitszeit? kristall.de arbeitet mit einem gepackten store-and-forward-Verfahren; innerhalb von 10 Sekunden übertragen wir ca. 30 bis 40 Mails in üblicher Größe vom Providersystem auf unseres. Es besteht vor dieser Übertragung keinerlei Kontrollmöglichkeit, und wenn wir die Mails übertragen, sind die IP-Volumenkosten bereits angefallen.

Dies entspricht im übrigen ziemlich exakt der Situation bei der Leerung des Hausbriefkastens.

Beim Hausbriefkasten kann ich einen Aufkleber anbringen „Werbung unerwünscht“, und im allgemeinen wird sich auch dran gehalten. Das Mailprotokoll SMTP gibt eine solche Möglichkeit nicht her, da helfen nur ausgeklügelte und sehr arbeitsaufwendige Filter. Aber Sie wollten mir den Aufwand dafür ja bezahlen, nicht wahr? :-)

Die Werbung aus dem Briefkasten kann ich ins Altpapier entsorgen oder manchmal sogar noch als Notizpapier benutzen, muß dafür aber NICHTS bezahlen. Das Kostenrisiko liegt ganz beim Absender, und genau das ist bei Mail nicht der Fall: Hier kann das Risiko ganz einfach auf den Empfänger abgewälzt werden, der im allgemeinen dadurch, daß er nur einen privaten Zugang hat und keinen kommerziellen Großzugang mit entsprechenden Rabatten, nicht 50 %, sondern einen höheren Anteil übernehmen muß.

Filterprogramme beim Provider („Envelope-Kennzeichnung“): Hier besteht allerdings noch erheblicher Klärungsbedarf.

Zu Deutsch: Sie haben eigentlich gar keine Ahnung?

„Robinson-Liste“: Eine derartige Einrichtung für Werbesendungen aus Papier existiert bekanntlich schon lange und mit zufriedenstellendem Erfolg.

Es existieren auch sogenannte Robinson-Listen für eMail, aber diese werden nicht kontrolliert, sondern einfach herausgegeben. Der Versender kann nun entscheiden, ob er diese Adressen gegenfiltern oder ob er sie mit Werbung beschicken will. Wenn er nicht ganz saudumm ist, wird er sie zum Versand benutzen, denn er kann sicher sein: Diese Adressen existieren und sind gültig, damit haben sie für ihn einen höheren Wert als Adressen, die z. B. aus dem Usenet abgegriffen worden sind (die könnten gefälscht sein). Aus diesem Grunde werden Robinson-Listen für eMail von den Fachleuten schon lange abgelehnt.

Wir haben aber auch Post von einigen Nutzern bekommen, die den Unterschied zwischen E-Mail-Werbung, einer prinzipiell absolut seriös einsetzbaren Werbeform, und einem mißbräuchlichen Spamming nicht begriffen haben.

Nein, Sie haben nicht begriffen, daß unverlangte Werbemails Spamming darstellen. Seriöse unverlangte Werbemail ist ein Widerspruch in sich, das gibt es nicht.

Damit muß man zwar leben, - aber das ist nicht die Diskussion, die jetzt notwendig ist und die wir uns wünschen!

Es ist sicher nicht das, was Sie sich wünschen, aber es ist das, was Sache ist, auch wenn Sie es nicht hören/lesen wollen, weil Sie Angst haben, daß ihrer Klientel ein superbilliges Werbemedium, das die Empfänger bezahlen, entgehen könnte.

Eine öffentliche Diskussion läßt sich übrigens besser im Usenet als im Web führen, denn das Web ist immer noch ein One-Way-Medium. Die Gruppe news:de.admin.net-abuse.mail bietet sich dafür an; ich sende diese Mail gleichzeitig in diese Gruppe. Ich bin gespannt, ob Sie den Mumm aufbringen, dort denjenigen entgegenzutreten, die sich seit Jahren aktiv gegen Mailwerbung einsetzen (und ich gehöre dabei noch nicht mal zu den wirklichen „alten Hasen“).

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Becker <postmaster(at)kristall.de>

PS: Ein Tip an den Gestalter Ihrer Seiten: Es ist sinnvoller, die Umlaute zu maskieren (z.B. &auml; für ä), denn nicht jeder Browser ist grundsätzlich auf ANSI-Zeichensatz eingestellt. Die maskierten Umlaute werden von allen Browsern erkannt. Das geht natürlich nur, wenn man nicht mit einem Microsoft-Produkt Webseiten „designt“, sondern sie mit einem vernünftigen Werkzeug mit Eingriffsmöglichkeiten in den HTML-Source erstellt. Ich habe mir längst angewöhnt, Webseiten im Editor zu schreiben.